Herausgeber: Landesuntersuchungsamt Rheinland-Pfalz – Mainzer Straße 112, 56028 Koblenz
Stand: 13.08.2015
MERKBLATT zur Brucellose beim Wildschwein für Jäger
Die Brucellose ist eine durch Bakterien hervorgerufene akute bis chronische Erkrankung bei Tieren, die oft die Geschlechtsorgane und Gelenke betrifft. Deutschland ist frei von Rinder-, Schaf- und Ziegenbrucellose. Die Brucellose ist vom Tier auf den Menschen übertragbar (Zoonose). Erreger beim Schwein • Brucella suis Reservoir • Bei Wildschweinen verbreitet, geleg. bei Feldhasen Anzeigepflicht • Brucellose bei Rind, Schaf, Ziege und Hausschwein ist anzeigepflichtig und wird staatlich bekämpft. Bei frei lebenden Wildschweinen besteht keine Anzeigepflicht. Infektionsweg
- Durch Kontakt mit infiziertem Material wie Aborte, Nachgeburten, Milch, Körperflüssigkeiten, Aufbruch, insbesondere Geschlechtsorgane, über Schmierinfektion (z.B. über Hautverletzungen, Bindehaut u.a. Schleimhäute)
- Durch Einatmen infektiöser Tröpfchen (Aerosole)
- Durch Verzehr kontaminierter, nicht ausreichend erhitzter Lebensmittel
- I.d.R. nicht von Mensch zu Mensch übertragbar
Krankheitsbild beim Tier
- Bei Keilern: einseitige Hodenschwellungen und – entzündungen, bei Sauen: Spätaborte, Geburt lebensschwacher Tiere, Nachgeburtsverhalten, Gebärmutterentzündung mit ggf. kleinknotigen Veränderungen, generell: Gelenkentzündungen, abszedierende Veränderungen in Organen möglich • Kann auch ohne klinische Erscheinungen verlaufen
- Oft jahrelang latent bestehende Infektion
Krankheitsbild beim Menschen
- Brucella-Infektionen können zu vielfältigen Krankheitsbildern führen, u.a. Fieberperioden, Müdigkeit, nächtlichem Schwitzen, Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen
Empfohlene Schutzmaßnahmen
- Grundsätzlich Vorsicht bei Umgang mit verdächtigem Wild und Fallwild
- Wild nur bei guten Lichtverhältnissen aufbrechen
- Handschuhe verwenden, nach Gebrauch unschädlich entsorgen (z.B. Restmülltonne)
- Verdächtiges Wild ist für den Genuss untauglich, weiteres Zerlegen unterlassen
- Für Hände- und Flächendesinfektion sind die üblichen zugelassenen Desinfektionsmittel gegen Bakterien geeignet. Haltbarkeit des Erregers
- Auch in gekühltem und tiefgefrorenem Fleisch weiterhin ansteckungsfähig
- Abtötung erfolgt bei gutem Durchgaren von Lebensmitteln
- Mehrere Monate in der Umwelt überlebensfähig (Erde, Wasser, Kot, Kadaver)
Was tun im Verdachtsfall?
- Bei Verdacht das zuständige örtliche Veterinäramt benachrichtigen.
- Sofern keine Untersuchung veranlasst wird, sind verdächtige Tierkörper und Tierkörperteile über die Tierkörperbeseitigungsanstalt unschädlich zu beseitigen. Das Verbringen verdächtiger Tierkörper auf den Luderplatz ist verboten!
- Eine Untersuchung von Wildschweinen auf Brucellose ist im Landesuntersuchungsamt möglich (Institut f. Tierseuchendiagnostik, Blücherstr. 34, 56073 Koblenz; Tel. 0261/9149-327 (Labor), -599 (Zentrale), Fax 0261/9149-55574
E-Mail: poststelle.itsd@lua.rlp.de). Die Kosten der Untersuchung trägt das Land.
- Bürger können zunächst den örtlich zuständigen Jagdausübungsberechtigten benachrichtigen oder, wenn dieser nicht erreichbar ist, die örtlich zuständige Gemeindeverwaltung, Polizei- oder Forstdienststelle.
Dogmen, Mythen, Missverständnisse: der Streit um die Leitbachen
Auch wenn wir es nicht zugeben werden: Bei den Sauen sind wir mit unserem Latein am Ende. Seit dreißig, vierzig Jahren hinken unsere Jagdstrecken hinter dem Zuwachs her. Trotz großer Anstrengungen und überaus liberalen Rechtsbestimmungen werden wir der Sauen nicht herr.
Es kann deshalb nicht verwundern, dass immer unverblümter über Methoden nachgedacht wird, die mit traditioneller Jagd nur noch wenig zu tun haben: Kunstlicht zur Unterscheidung rangniederer Bachen an der Kirrung (in Bayern), kleine Kaliber zum geräuscharmen Schuss (in Nordrhein-Westfalen), Saufänge bzw. Frischlingsfänge, und schließlich als Nonplusultra die Pille für Schweine.
Wenn wir all dies nicht wollen, dann bleibt nur eins. Wir müssen unser Vorgehen und unseren ganzen Wissensstand vorbehaltlos auf den Prüfstand stellen, kritisch hinterfragen und bereit sein, auch das Undenkbare wenigstens zu diskutieren. Vielleicht ist die traditionelle Jagd bei der Lösung des Schwarzwildproblems tatsächlich überfordert! Dann hilft kein trotziges „Weiter so!“, sondern dann sollten sich die besten Köpfe zusammenstecken und über Lösungen nachdenken. Vor diesem Hintergrund fehlt mir jegliches Verständnis dafür, wie Dr. Karl-Heinz Betz im Editorial der Ausgabe Nr. 10 von WILD UND HUND über den Trierer Wildbiologen Ulf Hohmann hergefallen ist. Man wirft ihm nicht nur vor, zum Abschuss von Leitbachen aufgerufen zu haben, sondern garniert die Philippika auch noch mit persönlichen Anwürfen. Populismus und Polemik tragen aber zur Lösung der Schwarzwildproblematik nichts bei. Auch Norbert Happ, offenbar von WILD UND HUND als Kronzeuge gegen Hohmann aufgeboten, bleibt eine Antwort dazu schuldig. Im Gegenteil – Happ selber liefert jede Menge Argumente dafür, bei den Leitbachen anzusetzen.
Lassen Sie uns also das Schwarzwildproblem ohne feindselige Unterstellungen in drei Schritten diskutieren. Erster Schritt: Die Mathematik in der Populationsdynamik der Sauen. Zweiter Schritt: Jagdliche Praxis bei der Populationskontrolle. Dritter Schritt: Grenzbereiche zu Jagdethik, Weidgerechtigkeit, menschlichem Anstand.
Erster Schritt: Die Mathematik
Es lohnt sich, etwa 50 Jahre zurück zu blicken, als noch niemand die kommende Sauenschwemme vorausahnte. Man war endlich von der „Schwarzwildbekämpfung“ der Nachkriegsjahre abgekommen und machte sich Gedanken, wie man die Sauen anständig bejagen sollte. Das „Lüneburger Modell“ (LM) wurde erfunden. Ob dieses oder andere Modelle – alle hatten ein paar wesentliche Dinge gemeinsam: sehr hohe Frischlingsabschüsse, dagegen Zurückhaltung,
ja Schonung von Bachen und Überläufern.
Nun kann man eine zahlenmäßige Kontrolle von Wildtierbeständen generell mit ganz verschiedenenMethoden erreichen – mit wahllosem Abschuss von allem, was „vor die Flinte kommt“,mit schwerpunktmäßigen Eingriffen in den weiblichen Bestand, oder auch mit Eingriffen nur in die Klasse der Jungtiere. Alle mir bekannten Schwarzwildmodelle setzen den Schwerpunkt beim Abschuss der Frischlinge. Das ist verständlich, denn anders als bei Rot- oder Rehwild lassen sich bei dieser Wildart keine kompletten Mutter-Jungtier-Gruppen erlegen.
Die Bache wird ja fast immer von mehreren Frischlingen begleitet. Deshalb ist es schwierig, Bachen zu erlegen, ohne Waisenkinder zu hinterlassen. Bachen führen eigentlich immer – aber wie lange sind die Frischlinge tierschutz- und jagdrechtlich gesehen auf eine Führung angewiesen? Man sollte dem LM oder anderen Modellen nicht anlasten, schuld an der Sauenschwemme zu sein. Aber es lässt sich konstatieren, dass das Ziel – Stabilisierung der Bestände – verfehlt wurde. Warum das so ist – da kommt von vielen die Antwort wie aus der Pistole geschossen:
„Weil eben nicht konsequent nach dem LM gejagt wird! Es werden zu wenige Frischlinge, stattdessen zu viele führende Bachen, sogar Leitbachen geschossen! Und deswegen frischen die Bachen und sogar die Frischlingsbachen zu allen unmöglichen Zeiten, und viel zu früh, und viel zu oft!“ Lassen Sie uns diese Argumente mal durchgehen.
Schon vor 40 Jahren sind ernsthafte Zweifel laut geworden, ob sich der im LM geforderte hohe Frischlingsanteil (über 70 % der Gesamtstrecke) überhaupt realisieren lasse. Es gab Rechnungen, die zeigten, dass dann von einer „Durchschnittsbache“, die im Herbst mit sechs Frischlingen daher kommt, vier bis fünf erlegt werden müssten, wenn der Bestand nicht anwachsen sollte. Wie sollte man den dazu erforderlichen enormen Jagddruck aufbringen?
Frischlinge schießen? Frischlinge verhindern! Wir wussten damals noch gar nicht, dass sogar Frischlingsbachen rauschig werden und im Alter von einem Jahr Jungtiere führen können. Die Populationsdynamik der Sauen hat also, das haben wir durch Untersuchungen in jüngerer Zeit erfahren müssen, noch viel mehr „Sprengkraft“, als wir ohnehin schon annahmen. Das belegen die Studien von BIEBER & RUF (2004) oder POHLMEYER & SODEIKAT (2004) und noch einige andere. Wir gehen heute davon aus, dass etwa die Hälfte (!) der weiblichen Frischlinge bereits im Alter von etwa neun Monaten beschlagen wird und folglich auch Frischlinge bringt. Weil nun Frischlinge zahlenmäßig den höchsten Anteil in einer Population haben (von Jahren nach Extremwintern abgesehen), ist der Beitrag,
den diese soziale Klasse zum Gesamtzuwachs der Population leistet, auch entsprechend hoch.
Daraus hat man dann den Schluss gezogen: Wollen wir Sauenbestände wirksam reduzieren, müssen wir vorrangig in die Klasse der Frischlinge eingreifen. So ist bei POHLMEYER & SODEIKAT (2004) zu lesen, „… dass aufgrund des Erbringens von 46 % des Gesamtzuwachses durch die Frischlingsbachen deren Abschuss vorrangig betrieben werden muss“, und bei BIEBER & RUF (2004), ihre Analyse zeige, „dass eine starke Bejagung speziell der Frischlinge … das geeignete Instrument ist, um das Wachstum (der Population) empfindlich zu reduzieren.“ Solche Formulierungen haben das absurde Missverständnis hervorgebracht, der Schlüssel zur Bestandsreduktion läge in erster Linie beim Frischlingsabschuss. Eine hohe Frischlingsstrecke ist zwar aus vielen Gründen zu begrüßen – aber wenn wir ernsthaft reduzieren wollen (und das ist das Gebot der Stunde!), dann müssen wir an die Zuwachsträger ran, und das sind nun mal die Bachen. Deshalb liegt der Schlüssel nicht in einer hohen Zinsabschöpfung – das sind die Frischlinge – sondern in der Reduzierung des produktiven Kapitals – das sind die Bachen, egal wie alt sie sind. Frischlinge schießen – selbstverständlich, aber noch wichtiger: Frischlinge verhindern!
Zum Verständnis eine simple Rechnung: Mit dem Abschuss einer Bache eliminieren wir zusätzlich etwa vier Frischlinge, die sie in die nächste Generation durchgebracht hätte. Ein Treffer verringert also den Bestand des Folgejahres um fünf Sauen. Mit einem Frischling schießen wir dagegen nur mit einer Chance von 25 % einen kommenden Zuwachsträger; denn nur jeder zweite Frischling ist weiblich, und von den weiblichen wird wiederum nur etwa die Hälfe als Frischlingsbache beschlagen. Zudem bringen erstmals frischende Bachen weniger Nachwuchs durch als die mehrjährigen Bachen. Also verringert ein Treffer den künftigen Bestand um weniger als zwei Sauen. Anders ausgedrückt: Wenn wir auf den Abschuss einer Bache verzichten, müssen wir, um deren Reproduktionsbeitrag zu kompensieren, etwa drei Frischlinge schießen.
Dies ist simples Einmaleins. Ich finde es schon erstaunlich, dass manche gerade beim Schwarzwild, mit seinem enormen Zuwachspotential, immer noch zu glauben scheinen, man könne dessen Population überwiegend mit hohen Frischlingsabschüssen kontrollieren. HAPP (2000) meint dazu ganz richtig, es sei heute sehr schwer, „Jägern den … unumgänglich notwendigen Bachenabschuss wieder einzuhämmern.“ Allerdings um Gottes Willen keine Leitbachen – aber dazu später. Zweiter Schritt: Sozialverhalten und Jagderfolg Beim Abschuss von Bachen spitzt sich alles auf die Frage zu: Wie kann ich vermeiden, hilflose Waisenkinder zu hinterlassen? Selbstverständlich ist ein Abschuss ausgeschlossen, so lange die Frischlinge noch auf Milch angewiesen sind. Wenn sie entwöhnt sind, kann der Abschuss der Mutterbache vertreten werden, besonders wenn sich die Frischlinge in einer größeren Rotte befinden; denn sie dürfen sich anschließen. Handelt es sich nur um eine „einfache“ Rotte (Bache mit Frischlingen), so können die Frischlinge immerhin als kleine Rotte zusammen bleiben.
Ich glaube, das ist für ihr soziales Wohlbefinden sehr wichtig. Jedenfalls haben Frischlinge, die etwa gegen Jahresende ihre Bache verlieren, ungleich bessere Chancen, „sozial ungeschädigt“ über die Runden zu kommen als etwa ein Hirschkalb, das sich nirgendwo anschließen kann. Für einen ethisch vertretbaren Abschuss von Bachen lässt uns die Biologie des Schwarzwildes einen zeitlichen Spielraum von etwa zwei Monaten, Dezember und Januar. In dieser Zeit sind die meisten Frischlinge bereits gut entwickelt und die Bachen noch nicht hoch beschlagen. Sind die Frischlinge noch gering oder gar gestreift, muss der Finger (auf die Bache) gerade bleiben. Ich kenne Jagdleiter, die das so handhaben. Sie verfolgen dabei nicht nur eine Drosselung der Zuwachsleistung, sondern sie machen sich die Jungsauen auch leichter bejagbar. „Wir schießen ganz bewusst vor Beginn der Bewegungsjagden ein paar Bachen, deren Frischlinge gut entwickelt sind,“ erklärte mir einer, „denn die naiven Frischlinge kriegen wir auf den Bewegungsjagden viel leichter, und auch an der Kirrung erscheinen sie regelmäßig.“ Förderung des Jagderfolges also, durch gezieltes Ausschalten erfahrener Führungspersönlichkeiten! Das geht manchen Jägern schon viel zu weit. So richtig kompliziert wird es aber erst, wenn die Leitbachen ins Spiel kommen, Bachen also, die nicht nur ihre Frischlinge, sondern eine größere Rotte mit weiteren rangniederen Bachen sowie Überläufern anführen.
Dogmen und Mythen um die Leitbachen
Der Leitbache werden wunderbare Eigenschaften zugeschrieben. Die zwei wichtigsten: Sie unterdrücke eine Rauschzeit bei Frischlingsbachen und drücke damit den Gesamtzuwachs ihrer Rotte. Und sie synchronisiere die Rauschzeit aller untergeordneten Bachen. HOHMANN ( 2005) ist der behaupteten Rauschzeitunterdrückung bei Frischlingsbachen nachgegangen, hat aber in der wissenschaftlichen Literatur dazu keine Belege gefunden. Wie die Rauschzeitunterdrückung funktioniert – auch darüber finden sich keine Hinweise. Sie wird im Übrigen generell für Bachen gegenüber ihren weiblichen Jungtieren angenommen, nicht nur für Leitbachen. Solange wissenschaftliche Beweise fehlen, müssen wir deshalb von einer Hypothese ausgehen. Sie kann stimmen. Sie kann ebenso gut auch falsch sein. Anders die Rauschzeitsynchronisation. Zwar weiß man auch hier nicht genau, wie das funktioniert – aber dass das Phänomen existiert, ist vielfach beobachtet und unbestritten. Die Quintessenz der Rauschzeitunterdrückung wäre eine Drosselung des Zuwachses der Rotte.
Umgekehrt wird behauptet, der Verlust der Bache führe zu einer verfrühten Rausche der Frischlingsbachen, die dann mit „zur Unzeit“ geborenem Nachwuchs daherkämen. Das wäre ein merkwürdiger Widerspruch zu den Grundsätzen der Populationsökologie von Säugetieren. Denn die besteht in aller Regel darin, viel in einen hohen Reproduktionserfolg zu investieren. Das ist der Motor der Evolution! HAPP (2009) geht denn auch „mit Hohmann völlig überein, dass Reproduktionsstrategie (gemeint ist erfolgreiche – meine Anmerkung) des Schwarzwilds die höchstmögliche Reproduktionsleistung aller Rottenmitglieder bedeutet.“ Genau das ist des Pudels Kern: höchstmögliche! Das heißt, dass die Leitbachen für einen hohen Gesamtzuwachs der Population sorgen – und nicht für dessen Drosselung! HOHMANN (in Vorb.) ist bei seinen Recherchen auf Forschungsergebnisse in Frankreich gestoßen, die folgendes besagen: Jungtiere, die noch in Begleitung einer Altbache sind, frischen seltener. Dabei handelt es sich in der Regel um schlecht konditionierte, z. B. spät geborene Nachkommen von jüngeren Bachen. Sie nehmen im ersten Jahr seltener auf und bleiben bei der Mutter. Frischlinge von reifen Bachen werden dagegen früher geboren, kommen besser konditioniert in die Rauschzeit und verlassen ihre Mütter eher, um selbst zu reproduzieren (KAMINSKI et al. 2005). Das Vorkommen führungsloser, beschlagener Frischlingsbachen ist also die Folge ihrer frühen Geburt und vor allem guter Lebensbedingungen, nicht aber des Verlustes der Mutterbache. Also nicht gerade das Gegenteil des Dogmas, aber doch eine ganz andere Interpretation von an sich richtigen Beobachtungen. Tiefer lasse ich mich auf die wissenschaftliche Diskussion nicht ein, das sei Hohmann vorbehalten.
Zum Reproduktionserfolg (vereinfacht: „Nettozuwachs“) trägt andererseits natürlich auch eine Verlustminimierung bei. Dazu gehört die Rauschzeitsynchronisation (nicht: Unterdrückung!). Mit ihr wird sichergestellt, dass alle Frischlinge einer Rotte zur gleichen Zeit auf die Welt kommen. Das erleichtert es den Bachen, ihren zunächst sehr anfälligen Nachwuchs über die Unbilden der ersten Wochen zu bringen und gegen Raubfeinde (Wölfe) zu verteidigen. Auch das Nachfrischen beim Verlust aller Frischlinge steigert den Nettozuwachs – freilich „zur Unzeit“ (aus unserer, nicht aus ökologischer Sicht). Verlustminimierung heißt nicht zuletzt auch Feindvermeidung, und hier spielt die Leitbache zweifellos eine wichtige Rolle. Sie ist erfahren, vorsichtig und schlau. Sie meidet gefährliche Plätze, hat so manche Kanzel im Kopf, weiß ihren Nachwuchs gegen Hunde zu verteidigen, hält ihre Rotte zusammen, wenn sie ausbrechen will – mit einem Satz: Sie macht es den Jägern schwer, Beute zu machen.
Für uns Jäger folgt daraus im Umkehrschluss: Wollen wir das Schwarzwild effizienter als bisher reduzieren, dann sollten wir den Zuwachs fördernden und Verluste mindernden Einfluss der Bachen, besonders der Leitbachen, ausschalten. Das ist ganz einfach: Wir schießen sie tot. Schalten wir die Leitbache aus, reduzieren wir nicht nur die Reproduktionsleistung der Rotte, sondern machen uns auch den Jagderfolg auf die jungen Sauen leichter. Die führungslos herumstreunenden Frischlinge sind leicht zu erlegen, sie lassen sich auf Gesellschaftsjagden leichter sprengen, sie kennen die sicheren Einstände noch nicht gut genug – alles Vorteile für den Jäger, wenn er Strecke machen will. Und was für die Leitbache gilt, gilt auch für jede „normale“ führende Bache. So einfach ist das.
Was wird passieren, wenn die Leitbache ausfällt – sagen wir: nach der Rauschzeit, im Dezember oder Januar? Eine andere hochrangige Bache wird die Rotte übernehmen. Die weiblichen Sauen sind beschlagen, eine Ausdehnung der Rauschzeit ist deshalb nicht zu befürchten. Vielleicht teilt sich die Rotte in zwei oder drei kleinere Verbände. Also – wo ist das Problem? Dritter Schritt: Was können wir den Sauen zumuten? Mir fallen solche Gedanken nicht leicht, von der Ausführung gar nicht zu reden. Ich halte den Abschuss von erfahrenen „Führungspersonen“ in matriarchalisch organisierten Sozialverbänden für eine überaus kritische Angelegenheit, seien es nun Leitbachen, Gamsgaisen, Alttiere oder Elefantinnen. Das Problem geht dabei weit über die Frage hinaus, ob die Jungtiere noch der Fürsorge bedürfen oder schon selber zu recht kommen. Wer die Ausschaltung solcher Tiere empfiehlt, lehnt sich weit aus dem Fenster. Trotzdem meine ich: Die Mythen- und Legendenbildung um die Leitbache hat inzwischen ein Ausmaß angenommen, das eine effiziente Schwarzwildkontrolle entscheidend behindert. Auch Norbert Happ trägt dazu einiges bei, etwa wenn er meint, man müsse sich „die Leitbachen zu Verbündeten machen“ (HAPP 2009), freilich ohne zu erklären, wie und warum. Und wenn er meint, jeder Schuss auf eine einzelne Sau, auch bei Bewegungsjagden, sei „grundsätzlich falsch“ (HAPP 2004), dann frage ich mich, wie er sich die jagdliche Kontrolle von Schwarzwild eigentlich vorstellt (siehe Kasten). Bei allem Respekt: Sein Konzept ist eins zur Erhaltung, wenn nicht sogar zum Aufbau – aber nicht zur Reduktion von Schwarzwildbeständen. Das zeigt auch sein Erfahrungsbericht, den er vor fünf Jahren bei einem Schwarzwildsymposium vorstellte (HAPP 2004). Überhaupt keine Sympathie kann ich schließlich für den von ihm und anderen verwendeten Begriff von „marodierenden Jugendbanden“ aufbringen. In einer sachlichen Abhandlung ist diese Sprache fehl am Platze.
Ich will nicht missverstanden werden. Dies ist kein Aufruf zum Halali auf die Leitbachen. Auch soll mir keiner unterstellen, ich würde nun um die Jahreswende ein „Feuer frei“ auf alles begrüßen, was ein Wildschwein ist. Es gibt leider kein Allheilmittel gegen die Sauenschwemme, und sicher keine Jagdstrategie, die nicht auch ein paar Nachteile hat. Unbestritten ist nur, dass wir es auf einem großen Teil der Bundesrepublik mit deutlich überhöhten Schwarzwildbeständen zu tun haben, die erheblich reduziert werden müssen. Mit unserem jagdlichen Latein sind wir am Ende. Entweder lassen wir uns etwas anderes einfallen als das, was wir seit über vierzig Jahren ohne Erfolg praktizieren – oder wir akzeptieren Saufänge, Scheinwerfer, Schalldämpfer und irgendwann auch die Pille für Schweine. Und damit das Ende der Jagd.
Literatur
Betz, Karl-Heinz 2009: „Moderne Wissenschaft“. Wild und Hund 10/2009, Editorial.
Bieber, Claudia & T. Ruf 2004: Schwarzwild auf dem Vormarsch. Schriftenreihe des Landesjagdverbandes
Bayern e.V., Band 12 „Schwarzwild aktuell“. ISBN 3-00-018080-X.
Happ, Norbert 2004: Die biologisch richtige Bejagung des Schwarzwildes. Schriftenreihe des
Landesjagdverbandes Bayern e.V., Band 12 „Schwarzwild aktuell“. ISBN 3-00-018080-X.
Happ, Norbert 2009: Tod den Leitbachen! Wild und Hund 10/2009.
Hohmann, Ulf 2005: Rauschgebremst – Die Leitbache – viel beschrieben, aber kaum erforscht.
Die Pirsch 16/ 2005, 5 – 9.
Hohmann, Ulf 2009: Herausforderung Schwarzwild – Die Jagd am Scheideweg? ÖkoJagd 1,
Februar 2009, 4 – 5.
Kaminski, G.; Brandt, S.; Baubet, E.; Baudoin, C. 2005: Life-history patterns in female wild
boars (Sus scrofa): mother-daughter postweaning associations. Can. J. Zool. 83., 474 – 480.
Pohlmeyer, Klaus & G. Sodeikat 2004: Populationsdynamik und Raumnutzung des Schwarzwildes (Sus scrofa L.). Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern e.V., Band 12
„Schwarzwild aktuell“. ISBN 3-00-018080-X.
(im Kasten) Statistik eines Durchschnittsjägers
HAPP ( 2004) meint, „auch auf Bewegungsjagden dürfe der Schuss auf einzelne Sauen … nur dem jagdbaren Keiler oder einer „pensionierten“ Bache gelten,“ er sei „ansonsten grundsätzlich falsch.“
Ich habe aus meinem Gedächtnis zusammengetragen, unter welchen Umständen ich in den letzten etwa zehn Jahren 35 Sauen auf Bewegungsjagden erlegt habe.
Ergebnis: 35 Sauen erlegt, 8 gefehlt. Von den beschossenen 43 Sauen waren 23 (über die Hälfte) allein. Die einzeln erlegten waren ausnahmslos Frischlinge oder Überläufer. 6 weitere waren in Begleitung einer weiteren Sau. Aus 8 Rotten mit 5 oder mehr Tieren habe ich 12 Sauen erlegt, darunter waren zwei reine Frischlingsgruppen mit je 5 Stück. Unstreitig falsch war eine Frischlingsbache von knapp 30 kg (Anfang Dezember, zweite in einer Zweiergruppe), die eine besetzte (Milch führende) Zitze hatte. Außerdem erinnere ich mich bei diesen Jagden an 24 Sauenbeobachtungen mit ein oder mehreren Tieren. In 8 Fällen davon sah ich Einzelsauen. Nur in 4 Fällen war die Rotte größer als 10 Tiere. Ich glaube, meine jagdlichen Erlebnisse auf Bewegungsjagden bilden eine ganz gute Stichprobe für einen Durchschnittsjäger. Für mich folgt daraus: Hätte ich darauf verzichtet, Sauen zu schießen, die einzeln ankamen, hätte ich nur die Hälfte erlegt.“.
Keine jagdliche Veranstaltung in unserem Land vergeht ohne das das Schwarzwild darin vorkommt. Es hat sich zu einem massiven Problem entwickelt, man will keine Symptombekämpfung machen, also muss man Ursachenforschung betreiben. Die Klimaerwärmung ist eine davon…
Die Wildschäden durch Schwarzwild sind jetzt vor allem im Grünland zu sehen. Auf der Suche nach Engerlingen wird der Boden regelrecht umgepflügt. Gerade in höher gelegenen Regionen ist es für den Bewuchs schwer sich zu regenerieren, die Vegetationsdauer ist schließlich kurz. Warum und seit wann dringt das Schwarzwild in diese Regionen vor?
Im Jahr 1740 veranlasste Kaiserin Maria Teresia ein Auslöschungsprogramm um die Wildschäden durch Schwarzwild zu minimieren. Man muss bedenken, dass Schäden an den Kulturen für die kleinbäuerlichen Strukturen existenzbedrohend waren. Um 1810 galt das Schwarzwild fast ausgestorben, nur in einigen Jagdgattern gab es noch Exemplare. Nach dem 2. Weltkrieg ging es dann aber im wahrsten Sinne des Wortes bergauf für das Schwarzwild. Auf Almen auf bis zu 2500 m Seehöhe wurden Wühlschäden festgestellt. Genauso gehört das Schwarzwild in einigen Städten zum üblichen Anblick in den Randbezirken. Fact ist, dass sich die Schwarzwildproblematik nicht auf einzelne Länder beschränkt, ganz Europa ist mehr oder weniger betroffen. Zurzeit findet das Schwarzwild neben den Engerlingen auch andere „Leckerbissen“. Fasangelege und Küken werden ebenso wenig verschmäht wie Junghasen oder schon mal ein kleines Rehkitz. Das Schwarzwild ist wahrlich nicht wählerisch. Die Problematik lässt sich nicht so leicht auf einen Nenner bringen, die Klimaerwärmung spielt aber eine Rolle.
Auch wenn die letzten Winter hart waren so ist gesamt gesehen eine Erwärmung nicht von de Hand zu weisen. Trotz der starken Schwankungen zeigt die langjährige Kurve der durchschnittlichen Lufttemperatur im ersten Jahresviertel seit 1900 nach oben.
Es kommt zu einer besseren Nahrungsverfügbarkeit für das Schwarzwild durch die verlängerte Vegetationsdauer. Das Schwarzwild ist also eine der Arten die vom Klimawandel profitieren, während andere dabei auf der Strecke bleiben. Ein trockenes Frühjahr ist natürlich auch ein begünstigender Faktor für das Fortkommen der Frischlinge. Hört man die Berichte von Sauen auf 2500 m, kann einem schon mal „schwarz“ vor Augen werden.
Schwarzwild kommt zwar auch auf 2500 m vor, es ist aber noch kein Beweis dafür, dass es sich dort auch gut vermehren kann. Es ist eher dafür ein Beweis, dass in den Gunstlagen schon alles gesättigt ist. Gute Ansätze für die Bekämpfung von unbegrenztem „Schwarzwildwachstum“ hat der Wildschweingipfel in der Steiermark gebracht.
Die wichtigsten Punkte sind die Rehfütterung ausschließlich mit Raufutter, eine Reduktion der Kirrungen um das Schwarzwild dort gezielt zu bejagen. Am wichtigsten sind aber die bezirks- und revierübergreifende Treib- und Riegeljagden. „Kirchturmdenken“ ist hier fehl am Platz, nur wer großräumig denkt, wird auch Erfolg haben.
Wie in ganz Mitteleuropa, so hat sich das Schwarzwild auch in Bayern in den letzten Jahrzehnten stark vermehrt. Die Dimension des Problems lässt sich am zuverlässigsten an den stark gewachsenen Strecken ablesen: Wurden im Jahr 1980 bayernweit nur 3.000 Stücke erlegt, betrug die Strecke im Jagdjahr 2001/02 über 46.000 Stück, im Jagdjahr 2010/2011 gar über 60.000 Stück. Dabei sind die Schwarzwildpopulationen nicht nur im ursprünglichen Verbreitungsgebiet enorm angewachsen, sondern haben sich auch in bisher schwarzwildfreien Gebieten, besonders in Mittelfranken und Schwaben, ausgebreitet. Die seit Jahren ansteigenden Abschusszahlen belegen einerseits die jagdlichen Bemühungen zur Bestandesreduktion. Andererseits ist das ungebremste Anwachsen der Streckenergebnisse aber auch ein Indiz dafür, dass die bisherigen Eingriffe in die Bestände für eine wirksame Begrenzung nicht ausreichend waren.
Gründe für die Ausbreitung des Schwarzwildes
Insgesamt haben sich die natürlichen Lebensbedingungen für das Schwarzwild besonders durch eine veränderte Anbaustruktur in der Landwirtschaft, häufige Mastjahre und milde, schneearme Winter deutlich verbessert. Dies wird unterstützt durch eine teilweise unverhältnismäßig hohe Verabreichung von Futtermitteln über unsachgemäße Ablenkfütterungen und Kirrungen. Aufgrund der artbedingt hohen Vermehrungsrate reagiert das Schwarzwild auf diese Verbesserungen der Lebensbedingungen mit einem massiven Populationsanstieg, der durch die jagdlichen Eingriffe bislang nicht abgeschöpft wurde.
Auswirkungen überhöhter Schwarzwildbestände
Die Folgen überhöhter Schwarzwildbestände äußern sich vor allem durch steigende Schäden auf landwirtschaftlichen Nutzflächen und durch die zunehmende Gefahr von Seuchenzügen der Schweinepest (wie in anderen Bundesländern bereits der Fall). Vor diesem Hintergrund bestehen keine Alternativen zu einer landesweiten Absenkung der Schwarzwildbestände. Die Jagd hat damit eine wichtige landeskulturelle Aufgabe zu erfüllen.
Verstärkte Aufklärung und Information
Fortbildung der Jäger und Jagdgenossen:
- Sowohl bei Jägern als auch bei betroffenen Jagdgenossen sollen die wildbiologischen Kenntnisse über das Schwarzwild verbessert werden.
- Die Bemühungen zur Vermittlung praktischer Kenntnisse über die Durchführung von Bewegungsjagden sowie das Übungsschießen auf den laufenden Keiler sollen intensiviert werden.
- Die Schwarzwildthematik wird auch auf den Hegeschauen verstärkt angesprochen.
Gestaltung der Jägerprüfung:
- Das Thema Schwarzwild wird sowohl in der mündlichen als auch in der schriftlichen Jägerprüfung stärker berücksichtigt.
Informationsmaterial:
- Die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) hat das Sonderheft LWF aktuell 35 herausgegeben.
- Die Broschüre „Schalenwild in Bayern“ wurde bei der Neuauflage um Inhalte zum Thema Schwarzwild ergänzt.
Benennung von „Schwarzwildberatern“:
- Es wurden Schwarzwildexperten benannt, die vor Ort ihre Erfahrungen einbringen und im Bedarfsfall aufzeigen, wie örtlich angepasste Bejagungsstrategien entwickelt werden können.
Intensivierung der praxisorientierten Forschung
Von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft wird ein Forschungsprojekt zur Analyse der Konzepte zur Schwarzwildbejagung in Schwarzwildringen bzw. jagdlichen Zusammenschlüssen durchgeführt.
Verbesserung der Jagdstrategien vor Ort
Die Bildung von Schwarzwild-Arbeitsgemeinschaften unterstützen: In SchwarzwildArbeitsgemeinschaften sollen die darin zusammengeschlossenen Revierinhaber gemeinsam mit den übrigen Beteiligten, insbesondere den Landwirten, angepasste, revierübergreifende und wildbiologisch tragfähige Bejagungskonzepte entwickeln. Die Bildung dieser Arbeitsgemeinschaften wird durch die Jagdbehörden aller Ebenen unterstützt.
Die Bejagung hat sich an folgenden Grundsätzen zu orientieren:
- Schwarzwild muss mit allen zulässigen Jagdarten intensiv bejagt werden. Dabei kommt der Durchführung von revierübergreifenden Bewegungsjagden und Sammelansitzen eine wesentliche Rolle zu.
- Überläufer und insbesondere Frischlinge sind bei jeder sich bietenden Gelegenheit und ohne Rücksicht auf deren körperliche Stärke zu erlegen.
- Um die Bestände zu regulieren ist auch ein Eingriff in die Zuwachsträger (Bachen) unverzichtbar. In der Zeit von Oktober bis Januar ist daher die Bejagung der Bachen zu forcieren, wobei eine Erhöhung des Bachenanteils auf mindestens 10 % (besser 20 %) der Gesamtstrecke anzustreben ist. Dies soll soweit möglich unter Schonung der Leitbachen erfolgen. Für die Anwendung des § 22 Abs. 4 Bundesjagdgesetz (Schutz der Elterntiere) kann davon ausgegangen werden, dass die Bachen für die Aufzucht der Frischlinge ab einem Alter von drei bis vier Monaten (äußerlich erkennbar am Verlust der Frischlingsstreifen) nicht mehr unbedingt notwendig sind.
- In den Sommermonaten, besonders während der Zeit der Milchreife von Mais und sonstigem Getreide, ist eine intensive Schwerpunktbejagung in den Feldrevieren, aber auch an der Wald-Feld-Grenze, durchzuführen. Innerhalb der größeren Waldgebiete soll während der wildschadenskritischen Zeit bis zum Abernten der Felder nur reduziert auf Schwarzwild gejagt werden.
Im Falle örtlicher Abschussdefizite kann auch die Möglichkeit einer behördlichen Anordnung zur Verringerung des Wildbestandes in Betracht kommen (siehe Richtlinie zum Vollzug des § 27 BJagdG zur Verhinderung übermäßigen Wildschadens durch Schalenwild).
Saufänge: Bereits im Jahr 1989 wurden die höheren Jagdbehörden darauf hingewiesen, dass bei Schwarzwildschäden mit jagdbehördlicher Genehmigung auch Saufänge eingesetzt werden können. Dabei wurde herausgestellt, dass bei der Genehmigung zur Anlage und zum Betrieb von Saufängen darauf geachtet werden muss, dass den berechtigten Belangen des Tierschutzes Rechnung getragen wird.
Kirrung: Die Kirrung ist auf den geringstmöglichen Umfang zu beschränken. Als Richtwert gilt ein Kirrplatz je 100 ha Revierfläche, beschickt mit ca. 1 kg artgerechtem Kirrmaterial wie Getreide einschließlich Mais oder Waldfrüchten. Bei einer erheblichen Überschreitung dieses Richtwerts kann i.d.R. nicht mehr von einer Kirrung ausgegangen werden; ggf. sind auch entsprechende Maßnahmen gem. § 23 a AVBayJG zu ergreifen. Die räumliche und zeitliche Verteilung der Kirrungen und ihre Beschickung sollte in den Schwarzwild-Arbeitsgemeinschaften abgestimmt werden. Grundsätzlich gilt für Kirrungen und die ausgebrachte Futtermenge: Weniger ist mehr!
Jagdzeit: Für Keiler und Bachen gilt die Jagdzeit vom 16. Juni bis 31. Januar. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 Bundesjagdgesetz können die Länder die Schonzeiten für bestimmte Gebiete oder für einzelne Jagdbezirke aus besonderen Gründen, insbesondere aus Gründen der Wildseuchenbekämpfung und Landeskultur, aufheben. Gemäß Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 Bayerisches Jagdgesetz sind für entsprechende Einzelanordnungen die unteren Jagdbehörden zuständig. Wenn die Beteiligten vor Ort, also Jäger und Jagdgenossenschaften, angesichts der Schadenssituation Ausnahmen für erforderlich erachten, sollen die Kreisverwaltungsbehörden für Keiler oder / und Bachen, die für die Aufzucht der Jungtiere nicht notwendig sind, im Weg einer Einzelfallanordnung grundsätzlich die Jagdzeit verlängern.
Abschließend soll nochmals betont werden, dass zur Lösung der Schwarzwildproblematik nur gemeinsame und eigenverantwortliche Anstrengungen, bei denen alle örtlich Beteiligten an einem Strang ziehen, zum Ziel führen können.
Muss man als Jäger auch ein wenig Wildbiologe sein? Haben wir überhaupt ein „Schwarzwildproblem“ in unserem Land und welche Rolle hat die Leitbache? Wie bejagt man Schwarzwild effizient und doch auch der Wildart entsprechend? Antworten auf diese brandaktuellen Fragen hat Norbert Happ, ehemaliger Revierförster im Kottenforst bei Bonn bei der Hatzendorfer Jagdtagung gegeben. Lesen sie hier eine Zusammenfassung seiner interessanten Ausführungen.
Norbert Happ ist kein promovierter Wildbiologe, sondern ein Förster, der durch Beobachten von Schwarzwild, ja beinahe Leben mit der Rotte zu einem der renommiertesten und meistgefragten Schwarzwildexperten es deutschsprachigen Raums wurde. Er beobachtete die Rotte in seinem Revier über Jahre hinweg genau und die Sauen ließen ihn gewähren. Als Ernte für diese aufwendige Arbeit entstand wichtiges und umfangreiches Wissen über diese Wildart, das in den alten Lehrbüchern wohl kaum zu finden ist.
Entwicklung der Schwarzwildbestände
Herr Happ hat noch selbst erlebt, was es für eine Familie nach dem Krieg bedeutete, wenn Sauen die gesamte Kartoffelernte für ein Jahr vernichteten. Das bedeutete Hunger, Bangen um die Existenz. Schon Kaiserin Maria Theresia, die ja im Allgemeinen im Gegensatz zu ihrem Gatten von der Jagd wenig hielt, lies das Schwarzwild im Kaiserreich ausrotten. In der DDR war Jagd ein Staatsziel. De facto ist das Schwarzwild heute unser letztes, in großer Zahl vorkommendes, wehrhaftes Landtier. Hier merkte Norbert Happ an, dass nicht die Jäger das Großraubwild ausgerottet haben, wie es von Jagdgegnern und Uninformierten immer gerne dargestellt wird, sondern eine Dezimierung von der Gesellschaft dezidiert gefordert wurde. Man muss solche Entscheidungen immer im Kontext der Zeit sehen und darf nicht vorschnell urteilen. Tatsache ist, dass die Schwarzwildbestände in Europa nach dem Ende des 2. Weltkrieges massiv angewachsen sind, und noch weiter wachsen.
Das Wildschwein als Nahrungskonkurrent gestern und heute
Als Gedankenanstoß führte Herr Happ einen Satz aus den Ausführungen von Lutz Heck (1892- 1983) an: Wie viel Menschen könnten mit dem ernährt werden, was die Sauen wegfressen? In der Tat ein sehr interessanter Satz. Allzu selten wird die Schwarzwildpopulationsentwicklung mit der der „Population Mensch“ in Kontext gesetzt. In erster Linie denkt man ja an die finanziellen Schäden.
Laut Herrn Happ kommt es immer darauf an, was man schießt, man greift hier, ohne es zu wissen kontraproduktiv in die Populationsentwicklung und die Rottenstruktur ein. Man weiß zum Beispiel, dass bei der Schweinepest, die in einigen deutschen Bundesländern große Probleme verursacht, Die Überträger großteils unter 1 Jahr alt sind. Geschossen werden aber die alten Sauen. Hier fällt mir der bekannte Spruch „die Botschaft hör´t ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“ ein.
Die Rolle der Leitbache
Die Rolle der Leitbache wird laut Herrn Happ von den Jägern oft unterschätzt. Er stellte fest, dass, wenn man diese wegschießt die Rotte erst recht im Revier bleibt. Die Leitbache steuert die Rausche in ihrer Rotte und ist damit für eine geordnete Population. Ist sie weg, kommt es erst recht zu einer Explosion der Population.
Norbert Happ warf einen Satz ins Plenum, der bei so Manchem große Augen verursachte: Die Sauen durch Fütterung im eigenen Revier zu halten, kurbelt die Population an. Aber wir müssen doch Ablenkfütterung betreiben, dachte wohl so mancher. Hier merkte Herr Happ an, dass die Sauen Ernährung in Vermehrung umsetzen. Als Jäger sollte man, wie der natürliche Feind Wolf in die Jugendklassen eingreifen. Jagd ist nachhaltige Nutzung nachwachsender Ressourcen, das Aufhegen von Schwarzwild ist ein großer Fehler und damit nicht vereinbar, auch wenn einige Unbelehrbare davon nicht überzeugt sind. Den Schlusssatz von Herrn Happ sollten wir uns wohl alle zu Herzen nehmen: Kirren wollen heißt jagen müssen.
Unsere jagenden Großväter werden es bestätigen: Schwarzwild war nach dem Krieg eine Seltenheit. Die Begeisterung unter den Jägern war groß, wenn im Revier Fährten auftauchten.
Schwarzwild war ein seltener Gast und als Jagdbeute sehr begehrt. Heute schaut die Sache wohl etwas anders aus und so mancher Jäger in Österreich wäre froh wenn die Bestände auf Nachkriegsniveau zurückfallen würden. Was aber sind die Gründe für die Explosion?
Unsere bayerischen Nachbarn haben große Probleme mit Schwarzwild. Damit sind sie in Europa aber längst nicht allein. Auch in Österreich hat sich der seltene Reviergast zum Problem ausgewachsen. Naturgemäß schlägt auch die Landwirtschaft Alarm, die Schäden in den Kulturen kann man schließlich nicht verleugnen. Wer schon einmal ein Feld, übersät mit den „Bombentrichtern“ gesehen hat, wird das bestätigen.
Was aber ist der Grund, dass aus dem Gast ein Schädling geworden ist?
Bekannt ist die Forschungsarbeit von Prof. Arnold zu diesem Thema. Der Forscher vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien macht die günstigen Lebensbedingungen für die Explosion des Schwarzwildes verantwortlich.
Die Hypothese, dass der vermehrte Maisanbau die Ursache sei, konnte Dr. Arnold nicht bestätigen. Der gegenwärtige Klimatrend ist als Ursache wohl eher zu nennen. Das Schwarzwild zählt eher zu den wärmeliebenden Wildarten und wurde früher durch die harten Winter in seiner Bestandeszahl reduziert.
Heute sieht die Sache anders aus, die milden Winter und die Buchen- und Eichelmastjahre tragen auch zu den verbesserten Lebensbedingungen bei. Wir treffen heute Schwarzwild in Bergregionen und in siedlungsnahen Gebieten, sogar in Berlin gibt es eine problematische Schwarzwildpopulation. Gleichzeitig ist dieses Wild nicht gerade einfach zu bejagen.
Schließlich sind die Tiere sehr intelligent, in mondhellen Nächten wird man sie kaum antreffen, wenn dann nur im Mondschatten. Bei der konsequenten, nachhaltigen Bejagung sind vor allem Flexibilität und Revier übergreifendes Handeln gefordert. Laut Prof. Arnold führt auch Fütterung oder übermäßige Kirrung zur Bestandeszunahme, auch den Ablenkfütterungen stellt er ein schlechtes Zeugnis aus.
Die gegenwärtige Situation stellt ohne Frage eine Herausforderung für die Jägerschaft dar. Im vergangenen Jagdjahr haben Bayerns Jäger beispielsweise rund 42 400 Wildschweine erlegt. Nach der Rekordstrecke von 62 000 im Vorjahr sind die Abschusszahlen damit um ein Drittel gesunken.
Im Landwirtschaftsministerium ist man auf der Suche nach der Ursache. Als wesentlichen Grund für den Rückgang nannte der bayerische Landwirtschaftsminister Brunner das üppige Nahrungsangebot an Eicheln und Bucheckern im vergangenen Herbst. Kirrungen seien daher nicht interessant gewesen.
In Bayern setzt man jetzt auf großflächige und revierübergreifende Bewegungsjagden mit Jagdhunden und Treibern. Seit Anfang der neunziger Jahre haben sich die Wildschweine in Bayern massiv vermehrt. Wie eine Auswertung der amtlichen Streckenlisten zeigt, haben die Schwarzkittel bis auf wenige Landkreise mittlerweile fast ganz Bayern erobert. In Österreich sieht die Situation nicht viel anders aus und so wird auch in diesem Jahr einiges auf uns Jäger zukommen.
Probleme mit Schwarzwild gehören in vielen Regionen zur Tagesordnung. In einigen Gebieten steht die „Schwarzwildplage“ direkt vor der Tür. Wir haben uns mit einigen erfahrenen Jägern aus verschiedenen Gebieten unterhalten und gemeinsame Tipps zur erfolgreichen Wildstandsbewirtschaftung herausgesucht.
Verhaltensmuster von Schwarzwild
Schwarzwild ist eine sehr intelligente Wildart. In den seltenstenFällen findet Schwarzwild den idealen ungestörten Lebensraum. Durch Landwirtschaft, Jagd und andere Einflüsse wird das Wild oft zur Wanderschaft gezwungen.
Wildschweinen ist ein zyklisches Verhalten eigen. In auffällig regelmäßigen Abständen besuchen Sie Stellen, an denen Nahrung zu finden ist. Ist der Jagddruck nicht zu hoch pendelt sich dieser Rhytmus zwischen 4 und 6 Tagen ein. Kirrungen können einen Anreiz bieten, um Schwarzwild an einen Ort zu binden.
Wildschweine haben ein relativ gutes Gedächtnis. Werden an der selben Stelle öfters Frischlinge erlegt, so kann es passieren, dass führende Bachen diese Orte in Zukunft meiden. Überlegte Jagdstrategien sind deshalb das A und O der Schwarzwildbejagung.
Jagdstrategien
Üblicherweise wird Schwarzwild in der Nähe von Kirrungen bejagt oder im Zuge von Riegeljagden reguliert. Egal für welche Jagdform man sich entscheidet, wichtig ist, die Sozialstrukturen der Rotten zu erhalten. Der Abschuss von Leitbachen kann sich katastrophal auf den Bestand auswirken. Gerade in „neueroberten“ Lebensräumen kann das Fehlen der Leitbache dazu führen, dass im Extremfall bereits Sauen mit einem Körpergewicht von 40kg zu frischen beginnen. Die Folge wäre eine kaum kontrollierbare Bestandsexplosion.
Ziel sollte also der Abschuss des jeweils schwächsten Stückes sein. So läßt sich der Bestand am ehesten regulieren.
Weiters sollte allzu großer Jagddruck vermieden werden. Sauen beginnen zu wandern, falls es „ungemütlich“ wird. Die Folge sind schwere Wildschäden und hektarweise Verwüstung von Ackerland, da das Schwarzwild auf einer solchen Wanderschaft kaum bejagt werden kann. Wenn man die Schäden erkennen kann, sind die Rotten bereits weitergezogen.